Druckversion
- Rezension...
Linkseite/Home
|
Rezension zu: Nikolai Berdjajew
- "Versuch einer eschatologischen Metaphysik"
(hg.
von Gertraude und Klaus Bambauer, Verlag: hartmut spenner, waltrop
2001)
Berdjajew
philosophierte vom Zukünftigen, von seinem eschatologischen
Grundempfinden her und entwickelte dabei seine außergewöhnlichen
prophetischen Fähigkeiten. Berdjajew war ein Mensch, dem ein
unbestechliches Gespür für die Tragik des Lebens eigen
war.
Er
fühlte sich intuitiv der ewigen Wahrheit und der Freiheit,
dem "Ding-an-sich" (Kant), verpflichtet und gelangte von
hier aus zu den elementarsten Fragen des Lebens: dem Sinn der
menschlichen Existenz und des menschlichen Zusammenlebens, der
Stellung des Menschen in der Welt und seiner Beziehung zu ihr.
Berdjajew verleugnete seine russische Herkunft nicht, vielmehr
fühlte er sich vom Grunde her dem tiefen russischen Geist
verpflichtet und verband diesen auf geniale Weise mit den
verschiedensten geistigen Strömungen der Welt, wozu
insbesondere auch die deutsche Philosophie und die deutsche Mystik
zählten.
"Eschatologische
Metaphysik" ist ein existenzphilosophisches Denken, welches
die Vormachtstellung der irdisch-notwendigen Welt bekämpft
und die Abhängigkeit von dieser Welt zurückdrängt
und der freiheitlich-ethisch-religiösen Intuition den
Anspruch auf reale, d. h. authentische Wahrheit zurückerstattet.
Im Mittelpunkt steht der Mensch als gottmenschliche
Persönlichkeit, als religiös-gemeinschaftliches Wesen.
Nach
Berdjajew muß die Befreiung des Menschen aus seiner
selbstverschuldeten Unmündigkeit fehlschlagen, wenn der
Mensch nicht begreift, daß Freiheit sich nicht in Folge
einer dialektischen Notwendigkeit zwangsweise ergibt, wie Hegel
dies dachte. Der Mensch muß sich gegen die Notwendigkeit
behaupten und diese letztlich durch geistige Freiheit, die einer
qualitativ andersartigen Seinssphäre angehört als das
Reich der Notwendigkeit, überwinden.
Der
Sinn des Lebens, der Sinn der Geschichte ist nur dann gegeben,
wenn die Geschichte ein Ende hat, wenn die endliche Notwendigkeit
durch die ewige, d. h. geistige Freiheit schöpferisch
überwunden werden kann hin zu einem gänzlich neuen Leben
gemeinschaftlicher, gottmenschlicher Wahrheit. Dies ist eine der
Kernaussagen Berdjajews. Ein endloses Geschehen unserer
beschränkten, rein diesseitigen Reproduktion und
Neuerschaffung von Gegenständen und Hilfsmitteln, die
unentwegte Veräußerlichung unserer geistigen Fähigkeit
zum Zwecke eines sinnlosen Fortschritts in den Grenzen der
sichtbaren Welt zermürben den Menschen und untergraben seinen
Anspruch auf geistige Würde. Die Geschichte muß ein
Ende haben im eschatologischen Sinne. Der eschatologische Ausblick
auf ein Ende soll uns bewußtmachen, daß die Wahrheit
nur dort Wirklichkeit werden kann, wo unser menschliches Wesen
authentisch angesiedelt ist - im Göttlichen, im
gottmenschlichen Gewissen, in der geistigen Freiheit.
"Eschatologische Metaphysik" ist ein Aufruf an jeden
Menschen zu authentischer Wahrheit, die das Leben von Grund auf
ändern würde im Sinne der Liebe - der Bestimmung des
Menschen.
"Versuch
einer eschatologischen Metaphysik" wurde von Berdjajew 1941
vollendet und ist eines seiner reifsten Werke.
Ich
bin allen Beteiligten und insbesondere den Herausgebern Gertraude
und Klaus Bambauer sehr dankbar, daß sie durch ihre
wertvolle Arbeit die Rezeption dieses wichtigen Buches auch im
deutschsprachigen Raum ermöglichten!
(Für
amazon.de geschrieben.)
Dirk
Hübner, 07.10.2003
Home
Anfang
|